Ich schreibe diese Zeilen kurz nach dem Übergang in das Jahr 2021. Noch immer entgleiten uns angesichts der weltweiten Virus-Pandemie und dem Umgang damit die Gesichtszüge, und wir können die gesellschaftlichen und finanziellen Folgen monatelanger Lockdowns und Freiheitsbeschränkungen noch nicht absehen. Selbst in hoch entwickelten Staaten kommt es zu tiefgreifenden Veränderungen, und es wird an allem, was wir als gegeben definierten, gewaltig gerüttelt. Wie es in Ländern mit mäßigen Gesundheits- und Sozialsystemen zugeht, wage ich mir kaum vorzustellen.

Wir haben es gewusst

Seit Jahrzehnten wissen wir, in welchem Zustand Mutter Erde ist und wie sich dieser Trend seit der Industrialisierung in atemberaubender Weise beschleunigt. Was wir mit diesem Erdball anstellen kann ich nur schwerlich begreifen, obwohl es genau das ist, was er von uns bräuchte: Dass wir hinschauen und die Vielfalt der Herausforderungen an uns heranlassen. Sie sollte uns nicht nur unangenehm sein, sondern uns motivieren. Greta Thunberg und ihre Fridays-for-Future-Bewegung schreien es uns „Erwachsenen“ ins Gesicht: „Wir möchten euch in Panik versetzen!“ Auch wenn sich diese Bewegung allzu sehr auf den Klimawandel bezieht, die Empörung ist absolut gerechtfertigt.

Es erfordert viel Mitgefühl

Das neuartige Corona-Virus hat auf der Oberfläche eine pandemische Lage geschaffen, darunterliegend leiden wir aber schon lange an diversen Krankheiten. Wir alle wissen es, wir alle spüren es – doch die Mehrheit verharrt wie ein Kaninchen vor der Schlange. Zu wenige empfinden nicht das nötige Mitgefühl und entwickeln nicht den heiligen Zorn, den es bräuchte, damit wir unser Wissen in die Tat umsetzen. Viel zu wenige bringen den Mut auf und benennen die Probleme. Vielleicht liegt es daran, dass es beim Benennen nicht bleiben darf; es müssen Taten folgen, der Zorn muss sich in Handlungen verwandeln, mit denen er Fortschritt erzielen und wirklich etwas bewegen kann. Solange das nicht ist, wirken Mahnungen und Appelle wie eine naive Mission, die zwar das Schwänzen von Schulstunden legitimiert, darüber hinaus aber nur dazu dient, Menschen, die es sich in unserer ressourcenverschwendenden Welt bequem gemacht haben, zum Schmunzeln zu bringen.

Längst bekannte Voraussagen

Seit Jahrzehnten erfahren wir von Prophezeiungen indigener Völker, dass wir uns in einem Zeitenwandel befinden. Ein fortwährender Übergang in ein neues Zeitalter, in dem wir mit großen Herausforderungen konfrontiert werden und an einem Punkt stehen, an dem entwickelte Hochkulturen bereits vor langer Zeit standen, die aber allesamt untergegangen sind. Warum? 
Die Gründe dafür sind vielschichtig. Vieles wurde übertrieben, Menschen gingen zu weit und haben ihre Macht über das Maß missbraucht, Ausbeutung, Habgier, Missgunst und Feindseligkeit begünstigt. Auch heute stehen wir vor ähnlichen Hürden, es ist also wie früher, mit dem Unterschied, dass der Menschheit mittlerweile Mittel zur Verfügung stehen, die uns mit all unseren wunderbaren Lebensformen zugrunde richten können, wie teilweise bereits geschehen.

Die großflächig ausgebreitete Epidemie ist wie die Kirsche auf der Sahnehaube, die auf all die Probleme gesetzt wurde, mit denen wir ohnehin zu kämpfen haben: der Klimawandel, die Umweltverschmutzung, das Verschwinden so vieler Arten wie seit dem Aussterben der Dinosaurier nicht mehr, die ungleichmäßige Verteilung des Reichtums, der weiterhin andauernde Kolonialismus, unzählige Stellvertreterkriege im Nahen Osten und in Afrika, Migrationswellen und daran anknüpfend gesellschaftliche Verwerfungen … diese Liste ließe sich beliebig fortführen, aber ich beiße mir auf die Zunge, nicht zuletzt, weil ich mich selbst als Berufs-Optimist verstehe. 
Lass uns abrücken von der Frage, wer schuldig ist, und lass uns ermitteln, wie wir uns konstruktiv auf eine positive Zukunft vorbereiten können.

Schmerz zulassen

Du solltest diese Welt voll und ganz an dich heranlassen und deine angeborenen und empathischen Fähigkeiten erwecken, tiefes Mitgefühl für Mutter Erde und all die geschundenen Geschöpfe empfinden und den daraus resultierenden Schmerz zulassen. 
Erkenne an, dass die Menschheit uns große Probleme bereitet und es genau an ihr liegt, nicht mehr Teil des Problems zu sein, sondern Teil der Lösung. An Wissen mangelt es nicht, es fehlt an Taten, an der Umsetzung des Wissens.
Auch mir geht es so, dass ich mich manchmal frage: „Wofür das alles?“ In Anbetracht der Anzahl von Baustellen, die wir uns selbst eingebrockt haben, und auch im Hinblick auf die Menge an Informationen, die uns täglich von den schlimmsten Dingen berichten, könnte man resignieren und gar nicht erst damit anfangen, etwas zu verändern.

Für die nächsten sieben Generationen

Du stehst inmitten einer Linie, zwischen jenen, die vor dir gegangen sind, und denen, die nach dir kommen. Ob du leibliche Kinder hast oder nicht, es kommen immer welche nach. Das Geschenk der Ahnen ist das Erbe, das, wie wir wissen, nicht immer zu hundert Prozent positiv zu bewerten ist. Wir erben das, was wir vererbt bekommen und haben damit umzugehen.
Als Ahne der Zukunft gilt es sich vor Augen zu führen, was mein Erbe sein wird. Der private Bereich ist das eine; dort geht es um Besitz oder um Schulden. Das andere ist unser kollektives Erbe. Welche Welt hinterlassen wir unseren Enkelkindern und deren Nachkommen? Traditionen aus Nord- und Südamerika überliefern, dass wir es immer mit den Auswirkungen des Handelns der letzten sieben Generationen zu tun haben, und selbst ebenso auf die nächsten sieben Generationen maßgeblich einwirken. Seit meine Tochter zwei Kindern das Leben geschenkt hat, geht mir der Gedanke, welche Welt ich beackere und damit meinen Nachfahren vorbereite, näher als je zuvor.

Gaben und Aufgaben

Ich bin davon überzeugt, dass jeder Mensch mit einem einzigartigen Potenzial geboren wird. Jeder Mensch kann dieser Welt etwas geben, etwas schenken. Es ist für jeden etwas anders, doch jeder kann partizipieren. Das ist ein großer und wichtiger Anteil unseres irdischen Daseins. 
Einen weiteren Anteil stellen die Aufgaben dar, die uns zugetragen werden und die es zu bewältigen gilt. Manchmal ist es so, dass zuerst eine Aufgabe erledigt werden muss, um die Gabe ins Leben zu bringen – und manchmal genau andersherum, dass die Gabe uns dabei hilft, die Aufgabe zu meistern. Das ist das Erbe, was mir in dieses Leben hinein vererbt wurde, und mit dem es umzugehen gilt.

Meine Erfahrungen bestätigen, dass sich Menschen, die ihre Gaben entdeckt haben und ausleben, glücklicher und erfüllter fühlen. Sie verfügen über mehr Energie und Tatendrang als jene, die keine Ahnung davon haben, warum sie geboren wurden. Die unglaublichen Herausforderungen, denen sich die Menschheit stellen muss, braucht vitale Frauen und Männer, die bereit sind, ihren Ängsten wie ebenso ihrer unermesslichen Kraft zu begegnen, und die sich freudvoll der Verantwortung stellen, die wir den nächsten sieben Generationen gegenüber haben.

Die Geschichte vom tapferen Kolibri

Eine kleine Geschichte erzählt von einem Urwald, in dem es von Leben nur so wimmelte. Alle möglichen und unmöglichen Geschöpfe, von der größten Raubkatze bis zum kleinsten Floh, fügten sich ins Ökosystem ein. Eines Tages geriet der Wald in Brand und alle Tiere, die dazu in der Lage waren, retteten sich. Bis auf den Kolibri. Dieser flog emsig von einem kleinen Teich in der Nähe zum brennenden Urwald – und wieder zurück. 
Beim Teich angelangt, nahm er so viel Wasser auf, wie er mit seinem kleinen Schnabel nur aufnehmen konnte, und flog zum Feuer und spuckte das Wasser aus. So ging das über mehrere Stunden, ganze Tage lang. Die anderen Tiere erklärten den Kolibri für verrückt und befanden, er solle es lassen, der Aufwand lohne sich nicht, er würde nichts bewirken.
 Der Kolibri jedoch ließ sich nicht beirren und entgegnete, dass das Ausspucken des Wassers das sei, was er tun konnte – also tat er es auch.

Die Geschichte hat das Zeug zu berühren. Dieser kleine tapfere Kolibri – ach, wären doch alle Menschen so wie er, der seinen größten Hebel einsetzte, um das Feuer zu löschen.
Lass uns dem Ruf des Kolibris folgen und nach dem besten Hebel forschen, den wir betätigen können!

Jack
Regenbogenherz-Kolibri